- Veröffentlichung: March 24, 2021
- Letzte Aktualisierung: September 18, 2024
Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 1 | Was bedeutet die Leerwohnungsziffer?
How to Real Estate #6
Leerstand wird in der Schweiz regelmässig statistisch erhoben und dokumentiert. Doch bevor wir uns mit den eigentlichen Zahlen ausseinandersetzen, müssen wir verstehen, mit was wir es dabei eigentlich zu tun haben. Im ersten Teil unserer kleinen Serie über Wohnungsleerstand in der Schweiz geht es deshalb um folgende Fragen: Was genau drückt diese Leerwohnungsziffer aus? Wie und von wem werden diese Daten erhoben? Und wo können Sie sich als Käufer oder Verkäufer verlässlich über aktuelle Daten informieren?
Die wichtigste Kennzahl bezüglich Leerstand in der Schweiz ist die Leerwohnungsziffer. Sie wird jedes Jahr im September vom Bundesamt für Statistik veröffentlicht. Per Definition versucht die Leerwohnungsziffer all diejenigen Wohnungen und Einfamilienhäuser zu beziffern, die jeweils per Stichtag vom 1. Juni unbesetzt aber bewohnbar sind und zur dauernden Miete oder zum Kauf angeboten werden. Das Bundesamt für Statistik erhebt diese Daten nicht selbst, sondern gibt den über 2200 Gemeinden in der Schweiz den entsprechenden Auftrag. Die Gemeinden müssen diese Daten selber erheben und in der Folge fristgerecht beim Bundesamt für Statistik einreichen.
Erhebung durch die Schweizer Gemeinden
Jede Schweizer Gemeinde ist also verpflichtet, diese Daten zu erheben. Das spannende daran: Für diese Datenerhebung gibt es keine vorgeschriebene Methode. Das BfS nennt in der Wegleitung aber verschiedene methodische Vorschläge, die angewendet werden können. Diese wären:
- Kombinierte Einwohner- / Gebäudekartei
Über solche Karteien kann man die Wohnungen per Stichtag per Knopfdruck evaluieren. - Einwohnerkontrolle
Gemeinden registrieren Weg- und Zuzüge. Man kann überprüfen, an welchen Adressen Wegzüge, aber keine Zuzüge erfolgt sind. - Rundschreiben an Liegenschaftsverwaltungen
Eine Gemeinde kann alle dort tätigen Liegenschaftsverwaltungen und andere relevante Immobilienunternehmen anschreiben und Erhebungen anfordern. - Baupolizei / Bauinspektorat
Man fragt die Baupolizei oder die Bauinspektorat nach neu erstellten Wohnungen - Aufruf im amtlichen Anzeiger und/oder in Tageszeitungen
Man kann die entsprechenden Verwaltungen und Hauseigentümer über diesen Kanal bitten, die entsprechenden Daten zukommen zu lassen. - Wohnungsinserate
Man kann die ausgeschriebenen Wohnungen in Zeitungen und auf Onlineplattformen als Grundlage nehmen.
Empfohlen wird eine Kombination verschiedener Methoden. Eine Kontrolle darüber, wie eine Gemeinde die entsprechenden Daten erhebt, gibt es nicht.
Und genau hier liegt die Krux: Wenn es für die Erhebung dieser Daten keine einheitliche Methode gibt, hat das für die Vergleichbarkeit dieser Daten Konsequenzen. Es ist ein Unterschied, ob sich eine Gemeinde die Mühe macht, bei sämtlichen Hauseigentümern den entsprechenden Leerstand einzufordern oder per Stichtag einfach auf den gängigen Immobilienportalen eine Suchabfrage startet. Insbesondere kleinere Gemeinden haben beschränkte Ressourcen, um entsprechende Erhebung in vollem Umfang durchzuführen. Das bei der Beurteilung solcher Daten eine gewisse Vorsicht geboten ist, belegen beispielsweise die letzten Erhebungen im Kanton Basel Land. Der Kanton hat traditionell eher einen geringen Leerstand. Schaut man sich die gemeldeten Quoten der letzten Jahre aber im Detail an, staunt man nicht schlecht. Von den 86 Gemeinden in Basel Land haben in den letzten drei Jahren jeweils rund 50% davon einen Leerstand von 0% gemeldet. Das heisst: In rund 40 Gemeinden im Kanton waren per Stichtag gemäss Statistik keine einzige freie Wohnung verfügbar. Das sorgt bei Immobilien-Analysten für eine gewisse Skepsis.
Beurteilung von Leerwohnungsziffern
Ganz generell ist also eine gewisse Sorgfalt geboten, wenn man die ausgewiesene Leerwohnungsziffern einer Gemeinde bei der Analyse berücksichtigt. Im Zweifelsfall ist es empfehlenswert, bei der Gemeinde nachzufragen, wie die entsprechende Datenerhebung durchgeführt wurden. Und es lohnt sich in jedemfall, die vom Bundesamt für Statistik gelieferte Quote mittels eigener Recherche zu validieren.
Wenn man den Leerstand an einem Standort über mehrere Jahre anschaut, fallen einem Mitunter von Jahr zu Jahr grosse Unterschiede auf. In solchen Fällen sollte man sich folgende Fragen stellen:
Erstens: Hat sich eventuell die Methode der Datenerhebung geändert?
Gemeinden sind nicht verpflichtet, eine gewählte Methode im nächsten Jahr genau gleich zu wiederholen. Wenn eine Gemeinde sich dazu entscheidet, die Erhebungsmethode zu ändern, kann das mitunter grosse Auswirkungen auf die übermittelten Quoten haben – die eigentliche Entwicklung wird dadurch verzerrt.
Zweitens: Wurde ein grosses Immobilienprojekt zum Stichtag fertiggestellt?
Insbesondere in kleineren Gemeinden können Zahlen stark schwanken, wenn schlagartig 10 bis 20 Wohnungen auf den Markt kommen. Wenn in einer solchen Gemeinde ein Immobilienprojekt kurz vor dem Erhebungsstichtag fertiggestellt wird und das entsprechende Objekt genau zu diesem Zeitpunkt in die Erstvermietungsphase geht, kann dies das entsprechende Bild verzerren. Denn nach 3 oder 6 Monaten Vermietungszeit kann sich das Bild extrem schnell verändern.
Solide Datengrundlage in der Schweiz
Trotz der beschränkten Vergleichbarkeit und den nicht geregelten Erhebungsmethoden können sich Schweizer Immobilieninvestorinnen und Investoren glücklich schätzen – denn die erhobenen Tendenzen sind verlässlich, solide und vor allem: konstant. Ein Blick ins benachbarte Ausland zeigt: Weder in Deutschland, Östereich, Italien oder Frankreich werden Leerwohnungszählungen derart fundiert und regelmässig durchgeführt. Die Daten sind vom Bundesamt für Statistik zudem sauber, verständlich und für jedermann zugänglich aufgearbeitet. Alle entsprechenden Links haben wir für Sie in einem Blogartikel zusammengefasst,
Hier finden Sie Teil 2 und Teil 3 zum Thema Wohnungleerstand in der Schweiz:

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 2 | Wie sind die Zahlen einzuordnen?
How to Real Estate #7

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 3 | Trendwende auf dem Wohnungsmarkt?
How to Real Estate #19