- Veröffentlichung: March 21, 2023
- Letzte Aktualisierung: September 17, 2024
«Ein Top-Arbeitgeber zwischen Start-up und Grossunternehmen» – Interview mit Head of Talent Helin Mermer
In der Schweiz herrscht Fachkräftemangel. Das Rekrutieren von guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist für Schweizer Unternehmen seit längerem eine Herausforderungen – und wird zunehmend zur Schlüsselkompetenz für nachhaltigen Erfolg. Als Head of Talent verantwortet Helin Mermer die Rekrutierung bei Crowdhouse. Wir haben sie gefragt, wie Crowdhouse den «War for Talents» meistert und sich als Arbeitgeber auf dem Markt positioniert.
Experimentieren und Ausprobieren ist tief in unserer DNA verankert
Der «War on Talents» hat sich als Begriff etabliert. Ist zwischen den Unternehmen tatsächlich ein Krieg um Talente ausgebrochen?
Ich denke der Begriff ist durchaus passend. Die Zeiten, in denen es gereicht hat, einfach ein Jobangebot online zu stellen, damit gute Bewerberinnen und Bewerber vor der Türe Schlange stehen, ist definitiv vorbei. Gerade bei Schlüsselpositionen hat sich der Spiess gedreht. Unternehmen bewerben sich heute bei potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten – nicht mehr umgekehrt.
Sie gehen heute von sich aus auf Personen aus der entsprechenden Zielgruppe zu?
Ja. Aktives Sourcing und proaktive Kontaktaufnahme mit Personen, die nicht offensichtlich auf Stellensuche sind, machen heute einen wesentlichen Bestandteil jeder Rekrutierungsstrategie aus. Das ganze ist mit erheblichem Aufwand verbunden, aber in der Zwischenzeit unerlässlich geworden.
Inwieweit verschiebt das die Machtverhältnisse im Rekrutierungsprozess? Sind sich solche Kandidaten und Kandidatinnen ihrer verbesserten Verhandlungsposition bewusst?
Durchaus. Schlussendlich wirkt hier das einfache Spiel zwischen Angebot und Nachfrage. Gute Kandidatinnen und Kandidaten haben in der Regel mehrere Optionen und sind sich dessen auch bewusst. Die Frage ist: Wonach suchen sie genau? Und inwiefern können wir als Unternehmen diesen Anforderungen gerecht werden?
Die Anforderungen an den Arbeitgeber steigen. Wonach suchen gute Kandidatinnen und Kandidaten? Was sind ihre Erwartungen?
Dafür gibt es keine pauschale Antwort. Es ist abhängig von der Person und der Branche. Als Unternehmen können wir den Fokus auf Kernfaktoren legen. Wir sind davon überzeugt, dass Kultur, Purpose, persönliche Entwicklung und die Stärkung der Handlungskompetenz Aspekte sind, die für den nachhaltigen Mitarbeitererfolg enorm wichtig sind. Entsprechend möchten wir uns auf dem Markt als Arbeitgeber positionieren – mit den Besonderheiten, die uns eben ausmachen.
Wie sieht diese Positionierung konkret aus?
Als mittelgrosses Unternehmen positionieren wir uns zwischen Startups und etablierten Grossunternehmen. Genau in dieser Nische sehen wir uns als Top-Arbeitgeber, der einzelne Vorteile aus anderen Arbeitsumfeldern kombinieren kann. Konkret bedeutet das: Wir bieten Sicherheit und Kontinuität, ohne dabei in verkrusteten Corporate-Strukturen gefangen zu sein. Wir legen sowohl Wert auf Erfolg als auch auf die Art und Weise, wie wir diese Ergebnisse erreichen. Und wir etablieren effiziente Arbeitsstrukturen mit Handlungs- und Entwicklungsspielräumen.
Das tönt nach theoretischen Idealen. Können Sie das anhand von Beispielen veranschaulichen?
Nehmen wir als Beispiel die Ambivalenz zwischen Startup und Grossunternehmen. Wer ein dynamisches Arbeitsumfeld möchte, findet dies bei einem klassischen Start-Up – auf Kosten von Planungssicherheit und Struktur. Wer Wert auf Kontinuität legt, findet das bei einem Grossunternehmen, vermisst dabei aber mitunter Agilität und Flexibilität. Wir bieten einen attraktiven Mittelweg. Crowdhouse ist als junges Unternehmen bereits etabliert und seit mehreren Jahren erfolgreich und operiert dabei in einem Umfeld, in welchem Dinge tagtäglich aktiv verändert werden müssen.
Welche Rolle spielen dabei Löhne? Kann man gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter «kaufen»?
Wenn wir von einem «Krieg um Talente» sprechen, dann sind monetäre Anreize definitiv «Waffen», die aktiv eingesetzt werden. Es gibt Unternehmen, die Talente gezielt mit monetären Anreizen anwerben. Nach dem Prinzip: «Koste es, was es wolle». Die Nachhaltigkeit davon ist zweifelhaft, denn wer einen Job primär wegen der Bezahlung wechselt, wird das gleiche wieder tun, sobald ein noch besseres Angebot auf dem Tisch liegt. Uns ist es wichtig, dass wir attraktive Löhne im oberen Quantil zahlen, ohne dass sie uns dadurch als Arbeitgeber definieren.
Die Schweiz hat zwei Corona-Jahre hinter sich. Hat die Pandemie den Arbeitsmarkt verändert?
Insbesondere zwei Auswirkungen sind bemerkenswert. Erstens: Home Office hat sich etabliert. Es ist nicht nur salonfähig geworden, sondern hat sich als Arbeitsweise manifestiert. Daran wird sich nichts mehr ändern. Wer als Arbeitgeber in den letzten zwei Jahren keine entsprechenden Modelle implementiert hat, wird es schwer haben, sich zu behaupten. Zweitens: Die Schweiz hat in den letzten zwei Krisenjahren ihre ökonomische und sozialpolitische Stabilität unter Beweis gestellt und dadurch als Wohn- und Arbeitsort enorm an Attraktivität gewonnen. Angesichts des ohnehin schon akuten Fachkräftemangel ist das eine wichtige Voraussetzung.
Sie haben die Bedeutung von Kultur angesprochen. Wie geht man als Unternehmen dieses Thema an? Wie setzt man Kultur um?
Diese Frage beschäftigt wohl Unternehmensberater auf der ganzen Welt. Und es gibt keine einfache Antwort. Man kann Kultur definieren und sich genau überlegen, auf was man Wert legt und für was man stehen möchte. Das alles ist schön und gut und wichtig. Kultur kümmert sich allerdings nicht um Definitionen. Kultur entsteht im Handeln – im Miteinander. Dabei spielt das Bewusstsein eine entscheidende Rolle. Wir versuchen als Unternehmen, Kultur als etwas Gestaltbares in das Bewusstsein unserer Mitarbeiter zu rücken. Das funktioniert, indem man kulturelle Prinzipien aktiv vorlebt und einfordert und das Thema in den Teams offen reflektiert.
Viele Unternehmen werben mit sogenannten «Fringe Benefits» – Lohnnebenleistungen, welche die Attraktivität erhöhen sollen. Crowdhouse auch?
Ja. Wir bieten unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr viele und mitunter auch spezielle solcher Leistungen an. Dabei ging es uns aber nie darum, einfach aus Prinzip möglichst viele solcher Angebote zu schaffen, um damit aktiv werben zu können. Die meisten dieser Angebote wurden durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst initiiert und angestossen. Sie sind gewissermassen ein direktes Produkt unserer Unternehmenskultur und werden dementsprechend auch genutzt und geschätzt.
Was genau bieten Sie an?
Um nur einige Beispiele zu nennen: Wir haben Partnerschaften mit zwei grossen Kantinen in der Umgebung und übernehmen dort die Kosten für das Mittagessen. In unserem Crowdhouse Café steht eine erstklassige Kaffeemaschine von Victoria Anduino, bei der selbst Profi-Baristas die Fassung verlieren würden. Wir haben ein exzellent eingerichtetes Gym und Duschmöglichkeiten im Keller. Unser Aufnahmestudio steht allen für private Podcast- oder Filmproduktionen zur Verfügung. Und an heissen Tagen fährt einmal pro Tag der Eiswagen durchs Büro.
Das Unternehmensprofil ist das eine. Die Eigenschaften der Kandidatinnen und Kandidaten das andere. Was muss man mitbringen, um bei Crowdhouse glücklich zu werden?
Wir kümmern uns um komplexe Probleme. Die Lust daran, solche zu lösen, ist essentiell. Es geht bei Crowdhouse nicht darum, einen Status Quo zu verwalten. Wir suchen Leute, die disruptiv sind und neue Dinge erschaffen möchten. Experimentieren und Ausprobieren ist tief in unserer DNA verankert. Crowdhouse ist ein Unternehmen für Personen, die Herausforderungen lieben und gewillt sind, täglich neue Dinge zu lernen.