Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 2 | Wie sind die Zahlen einzuordnen?

How to Real Estate #7

  • Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 2 | Wie sind die Zahlen einzuordnen?

Leerstände beschäftigen den Schweizer Immobilienmarkt nicht erst seit kurzem. Die Leerwohungsziffer wird jedes Jahr Mitte September veröffentlicht und löst seit einigen Jahren jeweils eine mediale Flut an Panikartikeln aus. Die Zahl gilt als verhältnismässig hoch – in gewisser Weise sogar als rekordhoch.

1,72% aller Schweizer Wohnungen standen per Stichtag 2020 leer. Das bedeutet in absoluten Zahlen rund 80’000. Ist das nun viel oder wenig? Wenn wir diese Zahl in ein Verhältnis setzen wollen, bieten sich dazu zwei Vergleiche an. Erstens: Was bedeutet diese Zahl im internationalen Vergleich. Und zweitens: Was bedeutet diese Zahl im historischen Vergleich?

Schweizer Leerstand im internationalen Vergleich

Der internationale Vergleich ist gar nicht so einfach zu ziehen, denn kaum ein Land erhebt Leerwohungsstatistiken so flächendeckend und regelmässig wie die Schweiz. Die vorliegenden Daten zeigen aber eines: Im internationalen Vergleich ist eine Quote von 1,72% – in vielen anderen Ländern ist die entsprechende Quote deutlich höher. Die Sinnhaftigkeit solcher internationaler Vergleiche ist fraglich, denn wichtige Variablen wie die Definition von Leerwohungen, die einzelnen Erhebungsmethoden oder -zeiträume und die Voraussetzung auf den verschiedenen Märkten variieren stark.

Schweizer Leerstand im historischen Vergleich

Interessanter ist der historische Vergleich: Die Behauptung, der Leerstand in der Schweiz sei noch nie höher gewesen, stimmt nur bedingt. Als absolute Zahl sind 80’000 leere Wohnung tatsächlich ein Rekord. Allerdings nicht als Koeffizent – also als Verhältnis der leerstehenden Wohnungen im Vergleich zu der Gesamtzahl an Wohnungen. Der Höchstwert von 2.01% stammt aus dem Jahr 1975 und liegt rund 0.29 Basispunkte über den im Jahr 2020 ausgewiesenen Wert.

Damit man sich die Dynamik der aktuellen Leerstandssituation besser vorstellen kann, hilft es, sich die Situation in visualisierbaren Grössen vorzustellen. Der gesamtschweizerische Leerstand von 80’000 leeren Wohnungen bedeutet heruntergebrochen: Einer Gruppe von 1’000 Privathaushalten stehen in der Schweiz statistisch gesehen gerade mal 19 leere Wohnungen für einen Wohnungswechsel zur Verfügung. Das tönt jetzt nicht gerade nach Überangbot. Soll heissen, alles halb so wild? Nun. Ganz so einfach ist es nicht, denn diese Betrachtung ist gesamtschweizerisch und eine gesamtschweizerische Betrachtung eignet sich vielleicht für eine reisserische Schlagzeile – aber nicht für eine fundierte Kauf- oder Verkaufsanalyse.

Regionale Unteschiede

Die regionalen Unterschiede in der Schweiz sind enorm. Die Spannweite zwischen den Kantonen lag 2020 beispielsweise bei 0.49% im Kanton Genf bis 3.2% im Kanton Solothurn. Noch extremer sind die Unterschiede auf kommunaler Ebene. Spitzenreiter in der Erhebung 2020 war die Berner Ortschaft Saint-Imier mit 11.92%. Regionale Unterschiede können Sie auf der Online-Karte des BFS gut nachvollziehen. Anschaulich sind auch verschiedene Leerstands-Risikokarten verschiedener professioneller Marktbeobachter.

Beurteilung von Leerstandssituationen

Die Leerstandssituation in der Schweiz akzentuiert sich – gleichzeitig haben Sie als Immobilieninvestor oder Verkäufer Zugang zu aktuellen Daten. Aber wie geht man mit diesen Daten um? Grundsätzlich gilt zu betonen, dass die Beurteilung der Leerstandssituation Bestandteil jeder Sorgfaltsprüfung sein soll. Für diese Due Dilligence ist eine Frage zentral: Wie sieht meine Kalkulation aus, wenn ich jeweils einen Leerstandspuffer berücksichtige, der der effektiv vorliegenden Situation am Standort entspricht. Hat mein Investment oder mein Verkaufsangebot weiterhin genügend Spielraum oder gerate ich in schwierigen Situationen sofort unter Bedrängnis?

Heisst hoher Leerstand in jedem Fall Finger weg? Nun, solche Entscheidungen hängen nicht ausnahmslos von der aktuellen Quote ab. Eine wichtige Komponente ist die ist die historische Zuwanderung und die erwartete Zuwanderungstendenz. Analysieren Sie eine Region, bei der die Leerstände zwar aktuell hoch, die Zuwanderung tendenziell aber stark ist, lohnt es sich mitunter, einen optimistischeren Ansatz zu wählen. Stellen Sie für eine Region tendenziell eine geringe Zuwanderung oder gar eine Abwanderung fest, ist viel Vorsicht geboten. Aktuell noch tiefe Leerstände können sich über die Jahre erhöhen und bereits hohe Leerstände haben dort nur wenig Chancen, sich zu erholen.

Entscheidend ist eine differenzierte und langfristige Betrachtungsweise

Leerwohungsziffern sind statische Momentaufnahme. Für die Beurteilung einer Kauf- oder Verkaufsoption ist eine längefristige Betrachtungsweise entscheidend. Ein weiterer wesentlicher Punkt dafür ist die Bautätigkeit. Um Einschätzen zu können, wie sich die Leerstandsquote an einem bestimmten Standort in den nächsten Jahren entwickelt, lohnt es sich, nach Baukränen Ausschau zu halten. Insbesondere an kleineren Standorten können grössere Neubauprojekte ein extremer Faktor sein. Neue hochwertige Wohnungen zu verhältnismässig günstigen Preisen können ihr Wohnangebot sehr schnell in Bedrängnis bringen.

Je älter und je teurer ihr Wohnangebot ist, desto mehr Vorsicht ist bei der Beurteilung von Leerstandssituationen geboten – denn – in einer Region, in welcher eine Vielzahl an leeren Wohnungen verfügbar sind, werden sich immer diejenigen Wohnangebote durchsetzen, die verhältnismässig gute Qualität zu fairen Preisen bieten. Als Verkäufer und Käufer ist es wichtig, dass Sie genau hinschauen und die individuelle Situation vor Ort exakt und unter Berücksichtigung zukünftiger Entwicklungen analysieren. Dabei helfen weder voreilige Schlüsse, noch leichtfertige Verharmlosungen.

Zu guter letzt. Auch in Regionen mit hohem Leerstand wird trotzdem gewohnt. Als Immobilienbesitzer bedeutet Leerstand für Sie insbesondere eines: mehr Herausforderung bei der Vermietung Ihres Wohnangebots – diesbezüglich können Sie immer etwas unternehmen, um Ihren Konkurernt eine Nasenlänge voraus zu sein.

Hier finden Sie Teil 1 und Teil 3 zum Thema Wohnungleerstand in der Schweiz:

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 2 | Wie sind die Zahlen einzuordnen?

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 1 | Was bedeutet die Leerwohnungsziffer?

How to Real Estate #6

  • Video
  • Marktanalyse
Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 2 | Wie sind die Zahlen einzuordnen?

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 3 | Trendwende auf dem Wohnungsmarkt?

How to Real Estate #19

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